In Deutschland beginnt die Arbeit nicht einfach irgendwann, sie beginnt genau. Um acht Uhr heißt: um acht. Nicht um 8:03 Uhr. Nicht „bald“, sondern pünktlich wie ein Uhrwerk.
Ich selbst habe noch keinen festen Job hier, aber ich beobachte viel. Zum Beispiel meinen Nachbarn: Er verlässt jeden Morgen um Punkt 6:50 Uhr das Haus – nicht früher, nicht später. Eine Frau,
die ich kenne, sagt oft: „Wenn ich nur zwei Minuten zu spät bin, habe ich schon Stress.“
Das klingt für mich erstmal streng. Denn in Afghanistan ist die Zeit flexibler. Dort ist man nicht der Sklave der Uhr. Man trifft sich, wenn es passt. Und wenn man ein paar Minuten später kommt, ist das kein Drama – im Gegenteil, manchmal ist das ganz normal.
Doch mit der Zeit habe ich verstanden: In Deutschland hat Pünktlichkeit eine tiefere Bedeutung. Sie zeigt: „Ich respektiere deine Zeit.“ Wenn jemand zu spät kommt, wirkt das hier oft unhöflich
oder sogar unprofessionell.
Ein Beispiel: Ein Freund von mir hatte einmal ein Vorstellungsgespräch um 9:00 Uhr. Er kam um 9:07 Uhr, ganz ruhig, mit einem Lächeln. Der Chef aber war nicht beeindruckt. Das Gespräch war nach
zehn Minuten zu Ende. Nur sieben Minuten Verspätung, aber in Deutschland ist das schon viel.
Natürlich hat Pünktlichkeit auch Vorteile: Die Dinge laufen planmäßig. Jeder weiß, wann was passiert. Man kann besser arbeiten, weil man sich aufeinander verlassen kann.
Aber es gibt auch eine andere Seite: Immer pünktlich zu sein, kann auch Druck machen. Wenn man dauernd auf die Uhr schaut, verliert man manchmal das Gefühl für den Moment. Es fehlt oft an
Spontanität.
Ich denke manchmal zurück an Afghanistan. Dort saß ich oft mit Freunden auf dem Teppich, wir haben Tee getrunken, gelacht, ohne Zeitdruck. Ein Gespräch konnte eine Stunde dauern, oder auch drei.
Niemand hat nervös aufs Handy geschaut.
Also: Was ist besser? Ich glaube, beides hat seinen Wert. Pünktlichkeit bringt Struktur, Ordnung und Respekt. Aber ein bisschen Flexibilität bringt Wärme, Menschlichkeit und Ruhe.
Vielleicht ist das die Kunst, die ich hier lernen möchte: Pünktlich sein, aber nicht die Seele verlieren. Deutsche Disziplin mit einem Hauch afghanischer Gelassenheit. Das wäre doch ideal:
Pünktlichkeit und afghanische Wärme!
Hedayatullah Zyarmal
Bruchhausen-Vilsen im Mai 2025
Sprechzeiten und Formularhilfe
montags 14 bis 16 Uhr
dienstags 9 bis 12 Uhr
donnerstags 9 bis 11 Uhr
freitags auf Anfrage
Mitglied im
Lebenswege begleiten e. V.
Auf der Loge 17a
27305 Bruchhausen-Vilsen
04252 9098 321
kontakt@lebenswege-begleiten.de
Spenden
Lebenswege begleiten e.V.
Volksbank NIedersachsen-Mitte
IBAN: DE91256916334227364100
oder für einzelne Projekte online: